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Die Sache mit der Wahrheit

Facebook steht unter Druck. Die europäischen Behörden verlangen von dem Konzern eine stärkere Selbstkontrolle, um sogenannte Fake-News und Hasskommentare, die auf diesem weltumspannenden Onlineportal gepostet werden, ausfindig zu machen und gegebenfalls zu löschen. "Wir wollen nicht entscheiden, was wahr ist!" sagte dazu die Geschäftsführerin von Facebook Sheryl Sandberg. Macht sie es sich damit zu einfach, oder steckt viel mehr hinter ihrer Aussage? Ein kurzer Ausflug in das Reich von Wahrheit und Lüge.

20.02.2017 von Bernd Buerschaper

Lesedauer ca. 5 Minuten


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Kennen Sie die Geschichte vom Pfarrer von Oehrenstock? Vermutlich nicht, obwohl es Oehrenstock tatsächlich gibt. Es ist ein 200 Seelen Vorort der Universitätsstadt Ilmenau/Thüringen. Hier ist die Geschichte:

In einer Streitangelegenheit suchen zwei Männer Rat beim Pfarrer von Oehrenstock. Der erste Streithahn macht einen Termin bei dem Pfarrer, um seine Version der Geschichte zu erzählen. Nachdem er seine Geschichte zu Ende erzählt hat, sagt der Pfarrer: Mein Freund, du hast recht! Am selben Tag geht auch der zweite Mann zum Pfarrer. Nachdem auch dieser dem Pfarrer seine Version berichtet hat, entgegnet der Pfarrer wieder: Mein Freund, du hast recht! Nachdem der Mann mit Genugtuung das Haus des Pfarrers verlassen hat, mischt sich die Haushälterin des Pfarrers ein. Herr Pfarrer, sagt sie. Sie haben dem einen wie dem anderen Streithahn recht gegeben! Nachdenklich erwidert der Pfarrer: Und du hast auch recht!

Diese kleine Geschichte, die den Charakter eines Witzes in sich trägt, gibt einen Einblick, wie es um die Wahrheit bei den Menschen bestellt ist.

Das Wort Wahrheit ist eine rein philosophische Kategorie. Zwar zermartert sich der Mensch seit ewigen Zeiten den Kopf, was das ist -Wahrheit. Aber bisher hat noch niemand eine schlüssige Antwort auf diese Frage geben können, außer natürlich die EKD (Ev. Kirche Deutschland), die zu allen Problemen und Herausforderungen die Wahrheit kennt und entsprechend politisch Stellung bezieht.

In Wirklichkeit ist es unmöglich, dem Wort "Wahrheit" eine eindeutige, allgemeingültige Definition zu geben, weil es keinen Standard gibt, den alle bereit wären anzuerkennen, oder weil das Normal, an dem man es bemisst, sich selbst ändert. Wie oft schon wurde in der Geschichte der Menschheit etwas als wahr deklariert, um kurze Zeit später als das Gegenteil zu gelten! Andere wiederum sagen, wer die mediale Macht hat, bestimmt, was wahr ist, und was nicht. Viele fühlen sich durch eine vermeintliche (oder tatsächliche?) mediale Meinungshoheit bevormundet. Ihnen rutscht dann nicht selten das Wort von der Lügenpresse über die Lippen. Der heftige Streit um dieses Wort, hat uns einen tiefen Einblick in unser aller Seelenleben vermittelt. Dieses ist nicht geprägt von dem streben nach Wahrheit, sondern von der Erfüllung eigener Vorstellungen und Wünschen.

Uns, (von Planet-Glauben), fällt es nicht schwer, Sheryl Sandberg zu verstehen, wenn sie sagt, Facebook kennt die Wahrheit nicht und will sich deshalb auch nicht zum Richter aufschwingen (von Drohungen und Angriffe auf Leib und Leben von Menschen einmal abgesehen). Aber Facebook steht viel zu sehr unter politischem Druck, als das es die Forderungen einfach übergehen könnte. Deshalb will Facebook nun eine Art Experten-kommission einsetzen, die das (vermeintliche) Wissen hat, den richtigen Filter zu setzen, um Wahrheit von Lüge oder Polemik von Hass zu trennen. Aber mehr als ein Placebo dürfte dieses Entgegenkommen kaum darstellen. Zumindest hat man damit die Politik zufrieden gestellt. Und nur darum kann es Facebook gehen.

Wie stehen Christen zu dem Wort Wahrheit bzw. was sagt ihr Glaube dazu? Wahrheit und Christentum, auch dieses Verhältnis ist von Ambivalenz geprägt. Um das zu erkennen, muss man sich nur in der Geschichte des "politischen Christentums" der vergangenen Jahrhunderte umsehen. Aber die Wahrheit, die der christliche Glauben in seinem tiefsten Inneren in sich trägt, ist dann noch einmal etwas völlig anderes!

Jesus hatte keine Hemnisse das Wort Wahrheit auszusprechen. Vielmehr setzte er noch einen oben auf und bezog das alleinige Urheberrecht über das Wort WAHRHEIT ganz allein auf sich. Und so predigte er es seinen Jüngern.

Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Johannes 14, Vers 6

Bei Jesus gibt es keinen anderen Begriff von Wahrheit, als das, was in seiner Person begründet liegt. Damit meint er: Das, was ich euch vorgelebt habe, das, was ich euch über meinen und euren Vater im Himmel erzählt habe, das, was ich an Wundern getan habe, um euch ein nachvollziehbares Zeugnis von allem zu geben, das, ist die Wahrheit. Im Umkehrschluss heißt das: Sucht nicht die Wahrheit in der Welt, denn dort werdet ihr sie nicht finden. Die Wahrheit der Welt ändert sich so schnell, dass ihr den vermeintlichen Wahrheiten ständig hinterherlauft. Wer wichtige Lebensentscheidungen an der (momentan gültigen) Wahrheit der Welt ausrichtet, läuft Gefahr, einer Lüge aufzusitzen. Wir Menschen sind meist nicht in der Lage die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden. Ein Grund dafür ist, dass Gottes Gegenspieler eine ganz eigene, subtile Art entwickelt hat, seine Interpretation von Wahrheit in die Welt zu streuen. Er kennt die menschlichen Vorlieben für die Verlockungen, die die süßen Wahrheiten bieten. Oft genug sind wir von dieser Art Wahrheit, die in Wirklichkeit eine süß schmeckende Lüge mit bitterem Nachgeschmack darstellt, wie betäubt.

Jesus selbst hatte seine liebe Not mit Fake-News und Hasskommentaren, ohne dass er auf die Idee gekommen wäre, sie zu verbieten. Hier und da hat er sich mit den Urhebern der Fake-News und Hasskommentare in eine Diskussion eingelassen. Für Jesus waren diese Kommentare logische Konsequenz von Unwissenheit, Feigheit, Boshaftigkeit und Gottabgewandheit der Menschen. Hasskommentare und Fake-News waren verantwortlich, dass Jesus gekreuzigt wurde. Nicht einmal die herrschende politische Elite konnte das verhindern, obwohl sie um die Fake-News wusste. Der gesellschaftliche Frieden, mit dem sie ihre Macht sichern wollten, war ihnen wichtiger. Auch Gott hat, (und jetzt wird es ganz kompliziert) um der Wahrheit willen, nicht eingegriffen. Denn dann wären alle Vorhersagen der Propheten, die den Sinn von Jesu Leben, Tod und Auferstehung zum Inhalt hatten, nichts anderes als eine Lüge oder Irrtum gewesen.

Sheryl Sandberg hat also Recht gesprochen, wenn sie sagt, Facebook kennt die Wahrheit nicht. Leider ist Europa im Denken noch nicht so weit fortgeschritten. Freiheit heißt, auch alle wahren und vermeintlichen Lügen dieser Welt zuzulassen. Besonders ein Argument spricht für diese Denkweise. Es sind nicht die harten, offensichtlichen Fake-News, die das meiste Unheil anrichten. Vielmehr sind es die subtilen Fake-News, die subtilen Lügen, die kaum Unterscheidungsmerkmale offenbaren und die deshalb keine Expertenkommission herauszufiltern vermag. Diese werden weit größeren Einfluss auf das Weltgeschehen ausüben, als wir es uns vorstellen können.