header

0
1


Lesedauer ca. 3 Minuten

In einem 24 Stunden Programm versorgt der Deutschlandfunk (DLF) seine Hörer mit aktuellen Informationen aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Medien, Gesellschaft und Sport. Tägliche Sendungen über Religion, sowie Verkündigungssendungen der beiden Kirchen gemäß Staatsvertrag gehören ebenfalls zum Programminhalt.
In diesen Tagen startete die Redaktion der Sendung "Tag für Tag" eine neue Sendereihe. Luthers Thesen - neu gelesen!" heißt sie. Täglich wird eine von Martin Luthers 95 Thesen besprochen. Menschen aus dem öffentlichen Leben erzählen, was sie mit Luthers Thesen verbindet oder auch nicht und interpretieren sie nach ihrem Sinne.

21.06.2017 (C) Planet-Glauben (ev.)


X

Luthers Thesen - neu gelesen!

E-Mail-Adresse des Empfangers
(Mehrere Adressen durch Kommas trennen)

Ihre E-Mail-Addrese

Ihr Name(Optional)

Ihre Nachricht(Optional)

Sicherheitscode

CAPTCHA

Bitte geben sie hier den oben gezeigten Sicherheitscode ein.

Close

 

Vor nicht langer Zeit hatten wir, von Planet-Glauben, einmal die Idee, uns in einem Beitrag intensiver mit den 95 Thesen Martin Luthers auseinanderzusetzen. Wir schauten uns noch einmal These für These an, und kamen sehr schnell zu dem Schluss, das es nicht den geringsten Anlass gibt, irgend jemanden mit Luthers Thesen konfrontieren zu müssen (Begründung folgt später).

Die Redaktionsleiter der DLF-Sendung "Tag für Tag"; Christiane Florin und Andreas Main, kamen in der gleichen Angelegenheit zu einem anderen Ergebnis. Bei der Vorstellung der neuen Sendereihe "Luthers Thesen - neu gelesen" sprachen sie von der Notwendigkeit, dass sich ein Informationssender wie der DLF einmal intensiver mit Luthers Thesen auseinandersetzen sollte, weil sie (die Thesen) ja tatsächlich kaum jemand kennt (wie wahr!). Seitdem lauschen wir gespannt der Sendereihe und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Es wirkt skurill. Deutschland und die Welt feiern in ausufernder Manier den 500. Jahrestag des Thesenanschlages, doch kaum einer kennt die Lutherschen Thesen. In jedem Jahrhundert wiederholen sich Luthers runder Geburtstag, Luthers runder Todestag und Luthers rundes Thesen-Jubiläum zu einer dicken, runden Zahl mit zwei Nullen. Dreimal in jedem Jahrhundert schwört die EKD die jeweilig lebende Menschen-Generation von 4 bis 100+ Jahren in einer Lutherdekade auf das Jubiläum ein. Die EKD gründet sich (im wahrsten Sinne des Wortes) vor allem auf Luther und seinen Thesen. Es ist in ihrem ureigenen Interesse, diese Geschichte auch weiter am Köcheln zu halten. Und so lernen bereits die Kinder in den kirchlichen Kitas, sowie im Religions-, Ethik-, und Geschichtsunterricht Luther als kirchlichen Revolutionsführer kennen, mit allen Zutaten, die man mit einem Revolutionär verbindet, incl. konspirativem Versteck und Todesdrohungen. Selbst waschechte Atheisten kann man auf diese Weise erfolgreich und nachhaltig mit dem Luthervirus infizieren.

Wenn man, wie Christiane Florin und Andreas Main, im Zusammenhang mit Luthers Thesen von Zeitenwende spricht, welche Zeitenwende könnte gemeint sein? In den Jahrzehnten und Jahrunderten der Nachlutherzeit schlägt sich halb Europa die Köpfe ein und neue Sekten extremer Natur machen sich breit. Vier Generationen nach Luthers Tod erreichen die Hexenverbrennungen in Deutschland ihren Höhepunkt. In Steinwurfweite der gelobten Wartburg, dem vielbeschworenem Geschichtshügel der Deutschen, lodern die Scheiterhaufen. Das Fegefeuer und die Hölle, von denen der verängstigte und von seiner Kirche indoktrinierte und verbogene Luther immer wieder in seinen Thesen spricht, wurde bereits in dieser irdischen Welt in Gestalt brennender Menschen auf Scheiterhaufen Wirklichkeit. Zeitenwende? Sollte man nicht eher von dunklem Mittelalter sprechen? Eine Zeitenwende, mit der man zumeist etwas Besseres verbindet, ist nicht erkennbar. Eine Zeitenwende reden uns nur jene ein, die in irgend einer Weise von diesem Märchen profitieren. Uns, von Planet-Glauben, erbost besonders, dass man bereits die Kinder damit impft.

Lassen wir einmal Gesellschaft, Politik und Kirche der Luther- und Nachlutherzeit außen vor. Schauen wir einfach einmal auf Luthers Kernbotschaft:

1. Die 95 Thesen sind eine Abrechnung Luthers mit haarsträubenden Zuständen seiner Zeit, die unter der Duldung, ja Förderung, seiner Kirche stattgefunden haben. Eigenwillig und nicht nachvollziehbar ist, dass sich Luther in seinen Thesen nie explizit auf das Wort Gottes bezieht. So wäre er unanfechtbar gewesen! Luther beruft sich nicht auf Jesus, Paulus und all die anderen, sondern verfasst statt dessen seine eigenen Thesen.

2. Einige von Luthers Thesen sind einem Verständnis erwachsen, das uns nahezu absurd anmutet. Manches wirkt regelrecht verschroben und ist in keiner Weise durch die Bibel gedeckt. z.B.

These 4:
Daher bleibt die Strafe, solange der Haß gegen sich selbst - das ist die wahre Herzensbuße - bestehen bleibt, also bis zum Eingang ins Himmelreich.

These 94:
Man soll die Christen ermutigen, daß sie ihrem Haupt Christus durch Strafen, Tod und Hölle nachzufolgen trachten.

Was soll man dazu noch sagen soll?

3. In nahezu jeder Lutherthese geht es um den Ablass. Luther changiert die Sachverhalte rund um den Ablass, nämlich Fegefeuer, Papst, Sündenvergebung, Hölle, Tod in den unterschiedlichsten Variationen. Wozu der Apostel Paulus zwei klug machende Sätze braucht, ergießt sich Luther in 95 Thesen.

Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Den (Jesus) hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut ...

Brief des Paulus an die Römer 3, Vers 23-25

und

Darum rühme sich niemand eines Menschen; denn [...] ihr seid Christi, Christus aber ist Gottes.

1. Brief des Paulus an die Korinther, Kap. 3, Vers 21-23

Wenn wir jetzt also im DLF die 95 Thesen noch einmal neu lesen, stellt sich in Anlehnung an die berühmte Kindersendung "Sesamstrasse" unwillkürlich die Frage: Wieso? Weshalb? Warum? - Wer nicht fragt bleibt dumm?

Wir von Planet-Glauben würden eher fragen wollen: Werden wir durch die Beschäftigung mit Luthers Thesen klüger? Unsere Antwort lautet: Nein!!! Indem wir uns mit Luthers verstaubten Thesen beschäftigen, werden wir nur Teil einer kulturellen (nicht religiösen) Manövriermasse, die von vielen als deutsches Kulturgut und Wertekanon inszeniert wird.

Wenn die Sendereihe überhaupt irgend einen Sinn macht, dann den, dass uns die Wortbeiträge einiger Autoren eindrücklich die Absurdität des Hypes um die Person Luther und seiner Aussagen (Thesen) vor Augen führen. Aber selbst diese wunderbaren Momente können wir nicht als Rechfertigung gelten lassen, Luthers Thesen, neu zu lesen.