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Welcher Christ braucht denn heute noch Luther?


Foto: (C) Deutsches Historisches Museum Berlin

Luther auf dem Totenbett gemalt von Lucas Cranach den Älteren


Mit zahlreichen Festgottesdiensten, der Einführung einer revidierten Übersetzung der Lutherbibel und anderen Events läutet die EKD das letzte Jahr der Lutherdekade ein. In einem Jahr, also am Ende des 10. Jahres ist dann endlich der große Feiertag, das Jubiläum, der 500. Jahrestag des Thesenanschlages. Wer also glaubt, dass die vielen Feierlichkeiten der letzten Tage der Höhepunkt war, wird sich im nächsten Jahr eines Besseren belehren lassen müssen. Das Déjà-vu Erlebnis wird unvermittelt kommen.

Unseren Bericht wollen wir mit einem Paulus-Zitat aus dem Römerbrief beginnen.

Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Den (Jesus) hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut ...

Brief des Paulus an die Römer 3, Vers 23-25

Vor allem diese zwei Sätzen des Paulus dienen Luther als Grundlage für seine 95 Thesen. Man muss das erwähnen, denn, so unglaublich das auch ist, viele Gläubige, die sich unter dem Dach der EKD versammeln, schreiben das, was die Kirche Rechtfertigungslehre nennt, Luther und nicht Gott zu.

Die Interpretation des Pauluszitates durch Luther dient der EKD als Ausgangspunkt für die Inszenierung eines Lutherkultes, der selbst die Heiligenverehrung der kath. Kirche in den Schatten stellt.

Wir berichten von den zentralen Festgottesdiensten in der Berliner Marienkirche und dem Berliner Dom.

31.10.2016 von Bernd Buerschaper (ev.) und Judith Israel


Bei der heutigen Lebenserwartung wird jeder Mensch mindestens ein, wahrscheinlich mehrere runde, also in hunderter Jahresschritten bemessene Lutherjubiläen erleben. Denn Luthers Geburt, der Thesenanschlag und sein Tod sind drei feststehende, wiederkehrende Termine im Lutherkalender der EKD. Nach eigener Erfahrungen der vergangenen fünfzig Jahre, lässt sich die ev. Kirche Deutschlands (EKD) bei keinem anstehenden Lutherjubiläum lumpen und befördert die ganze Breitseite ihrer Lutherideologie, eine Art säkularer Befreiungstheologie, auf das Volk. Und das geschieht ganz unabhängig von der jeweils herrschenden Staats- und Gesellschaftsform. Wie beabsichtigt, bleibt das nicht ohne Folgen. Wir haben das mehrfach erfahren. So ist es innerhalb der Kirchenmauern der EKD kein Problem die Heilige Schrift oder Gott selbst anzuzweifeln. Niemand wird sich ernsthaft daran stören. Für die EKD gehört das zum gelebten Pluralismus innerhalb ihrer Kirche. Aber wehe man zweifelt an der Bedeutung und der Strahlkraft Luthers. Zweimal haben wir in Gesprächen mit EKD Funktionsträgern zum Ausdruck gebracht, dass Luther beileibe nicht ernsthaft um sein Leben fürchten musste, wie es immer wieder erzählt wird, als wolle man eine Art Märtyrerstatus befördern. Denn Luther war zu seiner Zeit eine Art Popstar, wie wir es heute nennen würden. Er war weit über die Grenzen des Mansfelder Landes bekannt, mit weitreichenden Symphatien bis in die herrschenden politischen Eliten hinein. Dafür haben wir zweimal die ganze Breitseite aggresiver Ablehnung erhalten, die beide Male im trotzigen Abbruch des Gespräches mündete.

Wir fragen deshalb hier und jetzt. Tragen wir den Stolz auf Luther im Herzen und in die Welt, oder die Besinnung auf Jesus Christus allein? Kommt Letzterer bei der Ausrufung eines Lutherjahrezehntes nicht unter die Räder? Was meinen Sie?

Die Berliner Festgottesdienste

Während die 600 geladenen Ehrengäste, darunter viel Politprominenz, den Festgottesdienst zu Ehren Luthers in der Berliner Marienkirche feierten, war das Volk im Berliner Dom zur ökumenischen Messe geladen. Dort hielt der kath. Bischof em. Lehmann, der noch am Morgen in der Marienkirche die Luthermedaille überreicht bekommen hatte, die Predigt. Wir waren in diesem Gottesdienst mehrfach unangenehm berührt, weil es nicht gelingen wollte, das Gemeinsame der beiden großen Staatskirchen in einer einladenden Ökumene sichtbar zu machen. Dazu war der evangelische Part ob der reklamierten Reformationserrungenschaften viel zu sehr "in sich verliebt" und abgehoben; denn man hatte ja schließlich etwas zu feiern. Und der katholische Part verlor sich in einer Predigt, die hier und da Sprachlosigkeit beförderte. (Hier ist der Link zu der Predigt) In diesem Gottesdienst war der Geist Gottes jedenfalls nicht zu Hause, so empfanden wir es. Bischof em. Lehmanns vor langer, langer Zeit geäußerte Hoffnung, dass das Reformationsjubiläum mehr das Gemeinsame befördern möge, erfüllt sich zwar hier und da auf unterster Ebene, in den Kirchenbänken, nicht aber in den oberen Kirchenrängen, wo die harten theoretisch, theologischen Auseinandersetzungen geführt werden. Es wurde überdeutlich, die Trennung, die mit Luther einsetzte, ist so fundamentaler Art, dass sie ohne sichtbare Annäherung bestehen bleibt, auch wenn es manche Rede und Predigt in diesen Tagen anders erscheinen lassen will. Es ist so, wie mit zwei Nachbarn, deren Grundstücke nebeneinander liegen, und die sich, notgedrungen, irgendwie miteinander arrangieren müssen, weil sie den gleichen Wasseranschluss teilen. Und leider, leider, leider ließ Bischof em. Lehmann in seiner Predigt die Möglichkeit ungenutzt verstreichen, den EKD-Feierlichkeiten eine kraftvolle, auf die Ursprünge besinnende, christliche Botschaft im Sinne des Paulus entgegenzuhalten. So, und wahrscheinlich nur so, hätte er dem Lutherjubiläum eine eigene, unverwechselbare Note verleihen können. Es wäre ein echter, positiver Paukenschlag gewesen! Das es nicht dazu kam, bedauern wir zutiefst, wirklich zutiefst!!!

Wir möchten die EKD-Funktionsträger aber vor allem die ev. Gläubigen fragen: Welcher Christ braucht denn heute noch Luther?

Ohne Zweifel; wir sind dankbar für seine Übersetzung der Bibel, die endlich allen das Wort Gottes zugänglich gemacht hat. Auch sein Widerstand gegen die damalige theologisch, moralische Dekadenz seiner Kirche nötigt uns Respekt ab. Aber dieser Verdienste zu erinnern, dazu hätte unbedingt ein einziger Festtag alle hundert Jahre gereicht, statt eines Lutherjahrzehnts, das zudem alle hundert Jahre dreifach reloaded wird. Aber dann würde sich die EKD ihrer eigenen Legitimation entziehen. Dabei liefert Paulus selbst das entscheidende theologisch-religiöse Momentum:

Darum rühme sich niemand eines Menschen; denn [...] ihr seid Christi, Christus aber ist Gottes.

1. Brief des Paulus an die Korinther, Kap. 3, Vers 21-23

Das, woraus die EKD ihre Daseinsberechtigung, ihre Motivation und ihre Rechtfertigung bezieht, ist genau das Gegenteil von dem, was Paulus uns auf den Weg gibt. Die EKD ist so unendlich stolz auf Luther und seine Errungenschaften, dass sie überhaupt nicht mehr davon lassen kann. Für sie ist Luther ganz offiziell ein Politikum, und sie trägt ihn und seine vermeintliche Botschaft wie eine Reliquie vor sich her. Wir haben Kirchen gesehen, die vom Dach bis zum Pflaster mit einem Lutherposter behängt waren - und nicht etwa als Sichtblende wegen Bauarbeiten. Auch unsere Berliner Kirche, in die wir ab und an gehen, ist im Innenraum mit Lutherpostern zugestellt. Den Gipfel der Zumutungen, die uns in letzter Zeit erreicht haben, erlebten wir in einem Gottesdienst (wieder mit hochrangigen EKD-Vertretern), mit einem Pauluswort als Predigttext. Dieses bestand aus acht Zeilen. In jeder Zeile kam entweder das Wort "Gott" oder "Jesus" vor. Der Pfarrer brachte das Kunststück fertig, in seiner Predigt nicht ein einziges mal das Wort "Gott" oder "Jesus" zu verwenden. Um so öfter kam aber "Luther" vor. Die Prägung einer Luthermedaille scheint also noch das geringste Übel zu sein.

Und so ist es eigentlich nicht mehr verwunderlich, dass sich die EKD quasi in einer Dauerschleife der Reformationsfeierlichkeiten befindet, die sich nicht in Jahren bemisst, sondern in Jahrhunderten. Dabei hätte sie nach unserer Analyse selbst eine Reform dringendst notwendig. Diese müsste aber noch viel weitreichender sein, als die seinerzeit aus den Lutherthesen hervorgegangene Reformation. Die Reform müsste in einer konsequenten Besinnung auf den Glauben, und nicht auf Luther bestehen. Denn nahezu nichts von allem, was die EKD macht, entspricht den Intentionen der vielen Paulusbriefe.

Schon vier Tage nach den Berliner Luther-Festivitäten, bei der EKD-Jahressynode in Magdeburg, wird auf beklemmende Weise deutlich, was wir meinen. Wenn sich das EKD Kirchenparlament trifft, wirkt das quasi als Fortsetzung von Politik in den Kirchenbänken. Nach unserer Beobachtung nehmen das große Teile der Bevölkerung auch genauso wahr. Und viele sind dann der Kirche, und damit auch dem Glauben, besonders abgeneigt. Die Ideologie, die die EKD mit Luther befördert, entspricht dem Gegenteil dessen, was Jesus uns sagt. Der Feind der EKD ist nicht der Teufel, der die Menschen verunsichert und verführt, mit dem Ziel, sie von Gott zu entfremden. Die Feinde der EKD sind die Befürworter der Atom- oder Kohleenergie, die Gegner bzw. Skeptiker des vereinten Europas, oder die Befürworter einer Obergrenze für Flüchtlinge. Und das die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten für die EKD eine besondere Herausforderung darstellt, versteht sich da schon fast von selbst. Wem das alles so gefällt, der findet in der EKD ein würdiges zuhause.

Wer wichtige und oft gestellte Glaubensfragen beantwortet haben möchte, muss sich allermeist woanders orientieren. Zwar wird in der EKD auch über Glaubensfragen gestritten. Dann geht es aber häufig um Wortspalterei und Spiegelgefechte der akademischsten Art. Das haben wir in den vergangenen zwei Jahren bei Veranstaltungen mit Spitzenvertretern der EKD mehrfach so erlebt; und jedesmal waren die Veranstaltungen Kirche zum abgewöhnen.

Gelegentlich werden solche Spiegelgefechte im religiös-geisteswissen-schaftlichen Teil der Feuilletons der überregionalen Zeitungen ausgetragen. Eine davon war: "Dürfen Christen Juden missionieren?" Die Synode hat beschlossen, nein, das geht nicht. Wir müssen uns angesichts dieser Fragestellung dennoch wundern. Denn wie will man einen Juden missionieren, wenn man das Missionieren im eigenen Land, unter der eigenen Bevölkerung aufgegeben hat und sich darüber lustig macht, wenn andere es auf ihre eigene Art tun (Zeugen Jehovas)?

Neulich machten wir die Bekanntschaft mit einer ev. Pfarrerin. Bis vor Kurzem hatte sie eine herausgehobene Stellung in der Konrad-Adenauer Stiftung inne und war zudem mehrere Jahre EKD-Kirchenrätin. Ihr Promotionsthema war eine Arbeit zur Kritik der Urteilskraft von Imanuel Kant. In Kürze wird sie einen neuen Job als Regionalbischöfin antreten. Für uns steht sie als Beispiel für die geballte, geschulte Bildungskraft einer EKD-Führungspersönlichkeit, die maßgeblich die Geschicke der EKD und der ev. Kirche mitbestimmt. So bildet die EKD ihre Spitzenkader heran, die dann im Konzert von Politik und Medien Einfluss nehmen sollen, auf das, was in der Gesellschaft passiert.

Im völligen Gegensatz dazu steht die christlich, religiöse Bildungsarbeit der ev. Kirche mit Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Religionsunterrichtes und der innerkirchlichen Arbeit. Wenn man sich einmal die Mühe macht und die Arbeitsmaterialien für die religiöse Bildung der jungen Leute studiert, wird man häufig relativ lieblos zusammengestelltes Material finden, das kaum ansprechenden, interessanten und packenden Unterricht zulässt. Wir haben uns einmal einige Bildungshefte für den Religionsunterricht von der Grundschule bis zum Gymnasium angeschaut und waren erschrocken, um nicht zu sagen entsetzt. Selten waren wir uns in der Redaktion so einig. Unseren Kindern würden wir so einen Religionsunterricht nicht zumuten. Wenn man weiß, welch enormen personellen und damit finanziellen Aufwand die beiden Staatskirchen in die Ausarbeitung ihrer modernen Bildungslektüre stecken, und was am Ende dabei heraus kommt, ist man nur noch frustriert.

Wer einmal erleben will, wie ansprechende, moderne und Gott zugewandte Bildungsarbeit aussieht, den möchten wir empfehlen, die Internetseite JW.org der Zeugen Jehova, unter dem Menüpunkt "Publikationen" zu besuchen. Hier ist einmal der Link zu so einem Clip, der didaktisch und pädagigisch in hervorragender Weise aufbereitet ist. Übrigens für beide Seiten - die Eltern und das Kind. Wir können wirklich jeden empfehlen, sich das einmal anzuschauen!

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Wo auch immer Philipp und Sophia, die beiden Trickfilmfiguren der Zeugen Jehovas mit ihren Eltern auftreten, da herrscht Ruhe und Gespanntheit bei den Kleinsten ... und auch bei den Großen! So pflanzt man die Liebe Gottes in kleine und große Herzen ein, möchte man dem EKD-Präsidium und der EKD-Synode zurufen. Das ist eure Verantwortung! Und zwar vor Gott! Nie hat uns Jesus aufgerufen, die Gesellschaft zu verändern und Politik mitzugestalten. Wohl aber hat er ununterbrochen gepredigt, unser Verhältnis zu Gott zu erneuern. Für Jesus stand nie die Gesellschaft im Fokus, immer nur der Einzelne!!!

Den unter dem Dach der EKD versammelten Kirchen, denen jährlich Milliarden Euro an Kirchensteuern zufließen, die hunderte Doktoren aller Couleur für alle möglichen und unmöglichen Fragestellungen in ihren Reihen haben, sind jedoch nicht in der Lage, etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen. Dabei fordert uns Gott auf: Erzählt den jungen Menschen von mir! Wir fügen hinzu: erzählt es so, dass sie nicht das Grausen bekommen und davonlaufen. Gott, und den Glauben an ihn, trägt der Mensch im Herzen. Und so muss auch die religiöse Bildungsarbeit beschaffen sein. Gott lässt sich nicht durch Geisteswissenschaften, Ethik, Philisophen und selbst ernannte Weltverbesserer erobern.

Mit diesem Ansatz unserer Betrachtung wollen wir die vielen Erzieher und Pädagogen, die an der Basis ihr Bestes geben, nicht verunglimpfen. Aber sie müssen sich bewusst machen, dass eine so große Organisation, wie die in der EKD versammelten Gliedkirchen, auf eine koordinierte Lenkung und Systematisierung sowohl bei den Inhalten als auch bei der Bereitstellung von Materialien angewiesen sind. Die EKD und ihre Gliedkirchen sind im Netz mit hunderten verschiedener Internetseiten vertreten. Da blickt keiner mehr durch. Und ... da blickt (klickt) keiner drauf. Und die Inhalte müssen natürlich auch stimmen.

Am 22. Februar 2046, also in dreißig Jahren, steht bereits das nächste Lutherjubiläum an. Dann feiern wir den 500. Todestag des Pfarrers. Und wieder dreißig Jahre später den 600. Geburtstag des Reformators, und wieder dreißig Jahre später das 600. Reformationsjubiläum, und so on and on and on .... Die EKD braucht diese Jubiläen allein schon deshalb, um die unzähligen Lutherdenkmäler landauf und landab, incl. der in diesem Jahr neu errichteten, einer Renovierung zu unterziehen.

Das derzeitige Jubiläum hat nach seriösen Schätzungen, incl. der Infrastrukturmaßnahmen eine halbe Milliarde Euro verschlungen.

 

 

 

 


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