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Laudato Si

20.06.2015 von Bernd Buerschaper (evg.)

Am 17.06.2015 veröffentlichte Papst Franziskus seine Enzyklika LAUDATO SI'. In diesem Rundschreiben, das an alle Menschen guten Willens gerichtet ist, formuliert Papst Franziskus auf etwa 50 A4-Seiten seine "Besorgnis für das gemeinsame Haus".

Hier können sie das Dokument in seiner deutschen Fassung lesen: Enzyklia LAUDATO SI'


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Zur Enzyklika LAUDATO SI' - Ein Kommentar

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Es gehört zu den Herzensanliegen von Papst Franziskus, das Leben und Wirken des Heiligen Franziskus, dessen Namen er sich nach seiner Papstwahl zulegte, verstärkt ins Bewußtsein der Menschen zu rücken. Da wundert es nicht, dass die soeben erschienene Enzyklika Si' sozusagen inspiriert ist vom Leben und Wirken des Heiligen Franziskus. Sie ist untertitelt mit den Worten "Über die Sorge für das gemeinsame Haus". Es ist eine Schrift, die die Besorgnis von Papst Franziskus über den durch Umweltverschmutzung bedrohten Zustand der Erde Ausdruck verleihen möchte. Damit sieht sich Papst Franziskus in der Tradition seiner Vorgänger Papst Paul VI, Papst Johannes Paul II und Papst Benedikt XVI, die sich bereits ebenfalls dieses Themas angenommen haben. In der Enzyklika Si' wendet sich der Papst nicht nur an die Christen seiner katholischen Kirche. Explizit sucht er den Schulterschluß mit allen Menschen guten Willens auf der Erde, mit allen Religionen, sowie den Politikern und Wissenschaftlern. Letztere haben, in Person des Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen Prof. Schellnhuber, aktiv an der Ausarbeitung der Enzyklika mitgewirkt. Beim Lesen der Enzyklika wird man das auf Schritt und Tritt bemerken. Warum sich Papst Franziskus so eng an eine wissenschaftliche Expertice kettet ist nur schwer nachzuvollziehen. Auf jeden Fall will er damit vor allem eines deutlich machen, nämlich dass er dieses Thema nicht als ein allein religiöses Thema verstanden wissen will. Er setzt vielmehr auf den breitest möglichen gesellschaftlichen Konsens, den er für die anstehenden Aufgaben zur Bewahrung der Schöpfung für notwendig hält. Das sollte man so anerkennen!

Die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen, ...

Die Enzyklika ist in sechs Kapitel gegliedert und wird am Anfang und Ende von Gebeten umrahmt:

I. Was unserem Haus widerfährt
II. Das Evangelium von der Schöpfung
III. Die menschliche Wurzel der ökologischen Krise
IV. Eine ganzheitliche Ökologie (Kap.4)
V. Einige Leitlinien für Orientierung und Handlung
VI. Ökologische Erziehung und Spiritualität

In einem kurzen Abriß wollen wir den wesentlichen Inhalten der Enzyklika Si' nachspüren.

Was unserem Haus widerfährt

Ausgehend vom Zeitalter der ersten industriellen Revolution zieht Franziskus im ersten Kapitel eine Art Bilanz der Menschheitsgeschichte der letzten 200 Jahre. Er sieht die Fortschritts- und Wachstumsgläubigkeit der vergangenen Jahrzehnte an sein Ende gekommen und beruft sich auf eine zunehmende Sensibilität vieler Menschen auf die Umwelt und Bewahrung der Natur. Es folgt eine lange Auflistung aller möglichen Arten der Umweltverschmutzung und ihrer Folgen. Franziskus geht hier sehr detailliert auf die Probleme ein.

Es besteht eine sehr starke wissenschaftliche Übereinstimmung darüber, dass wir uns in einer besorgniserregenden Erwärmung des Klimasystems befinden.

Mit diesem Satz erkennt Franziskus das Diktum der meisten Klimawissenschaftler an, dass sich das Erdklima in einer Phase der vom Menschen verursachten Erwärmung befindet. Dieses Bekenntnis wird ihm mit Sicherheit auch Kritik einbringen, auch in kirchlichenen Kreisen. In diesem Kapitel ist besonders deutlich die Handschrift von Prof. Schellnhuber zu erkennen. Aus einer langen Liste von Aufzählungen einzelner Umweltprobleme kommt Franziskus zu dem Schluß, dass durch unsere Lebensweise die Lebensqualität nicht zu- sondern abnimmt. Mit Sorge erfüllt ihn die Entwicklung in den Megacitys dieser Welt, das Problem des freien Zugangs zu Wasser, der Verlust an biologischer Vielfalt und, und, und .... Er weist darauf hin, dass es immer die Schwachen sind, die die Folgen der Umweltsünden als erstes zu spüren bekommen und das jene auch keine ernstzunehmende Lobby haben, die sich für ihre Interessen einsetzen.

Innerhalb der reichen Industrieländer stellt Franziskus einen Mangel an Willen fest, sich dem Diktat des Technologie- und Finanzwesens zu entziehen und Beschlüsse zu fassen, die das Übel an der Wurzel bekämpfen. Das hört sich bei ihm dann so an:

Auffallend ist die Schwäche der internationalen politischen Reaktion.

Franziskus stellt eine sonderbare Unterschiedlichkeit der Meinungen fest, die sich an zwei Extremen orientiert. Die Einen halten an einer blinden Technologiegläubigkeit zur Lösung der Probleme fest, während das andere Extrem die Lösung in einer Reduzierung der Präsenz des Menschen ansieht.

Franziskus betont, dass es nicht Sache der Kirche ist, endgültige Vorschläge zu unterbreiten, wohl aber, dass sie als Ideengeber und Beförderer der Debatte auftreten will. Seine bis hierhin gemachten Aussagen gipfeln in den Worten:

Es genügt jedoch, aufrichtig die Realität zu betrachten, um zu sehen, dass unser gemeinsames Haus stark beschädigt ist.

Das Evangelium von der Schöpfung

Papst Franziskus stellt dem 2. Kapitel eine Frage voran:

Warum in dieses, an alle Menschen guten Willens gerichtete Dokument ein Kapitel aufnehmen, das auf Glaubensüberzeugungen bezogen ist?

Und er beantwortet die Frage sogleich selbst. Franziskus äußert sich überzeugt, das die Lösung der Umweltproblematik eine Aufgabe der ganzen Menschheit und also auch der Religion ist. Und er weist darauf hin, dass sich die katholische Kirche ...

...offen für den Dialog mit dem philosophischen Denken zeigt, und das gestattet ihr, verschiedene Synthesen zwischen dem Glauben und der Vernunft herzustellen.

Im Evangelium von der Schöpfung zeigt Papst Franziskus eindrucksvoll wie die unerschöpfliche Liebe Gottes zum Menschen (seiner Schöpfung) überall offenbar wird und wie sie über allem ruht. Daraus zieht er entsprechende Schlußfolgerungen. Hier ist Franziskus in seinem Element. Deshalb ist das 2. Kapitel auch das nachhaltigste seiner Enzyklika. Es lohnt sich, es vollständig zu lesen, in seiner Bedeutung zu verstehen und danach zu leben. Neben dem 6. Kapitel gehört es zu den Kapiteln seiner Enzyklika, die am meisten überzeugen und dadurch am nachhaltigsten sind.

Die menschliche Wurzel der ökologischen Krise

Wie es die Überschrift des 3. Kapitels deutlich macht, sieht Franziskus das Verhalten der Menschen, nicht aber den Menschen selbst, als Ursache für die ökologische Krise an. Das zeichnet er in allen Facetten nach und legt somit den Finger in die Wunde. Franziskus bezeichnet das als modernen Anthropozentrismus. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass der Mensch die technische Vernunft über die Wirklichkeit stellt, denn ...

... »dieser Mensch empfindet die Natur weder als gültige Norm, noch als lebendige Bergung. Er sieht sie voraussetzungslos, sachlich, als Raum und Stoff für ein Werk, in das alles hineingeworfen wird, gleichgültig, was damit geschieht.« Auf diese Weise wird der Wert, den die Welt in sich selbst hat, gemindert. Ein fehlgeleiteter Anthropozentrismus gibt Anlass zu einem fehlgeleiteten Lebensstil.

Ganzheitliche Ökologie / Leitlinien für Orientierung und Handlung

Das sind die beiden Überschriften der Kapitel 4 und 5. Hier begibt sich Papst Franziskus u.M.n. zunehmend auf unsicheres Terrain. Hier äußert er sich kaum geistlich inspiriert, obwohl hier doch seine eigentliche Stärke und Bestimmung liegt. Der Ton, den er hier anschlägt ist sehr gesellschaftlich, fast staatstragend geprägt. Deshalb macht er sich angreifbar, weil vieles von dem was er schreibt, selbst kein umfassender gesellschaftlicher Konsenz ist. Es ist daher auch vorhersehbar, dass ihm diesbezüglich Kritik begegnen wird. Selbst seine Brüder und Schwestern in anderen Teilen der Welt werden ihm hier nicht immer einstimmig folgen. Das könnte einen Teil der Absicht und Bestimmung, die er mit der Enzyklika verfolgt, schädigen. Wir müssen es als Versuch werten, dass Franziskus mit dem gesellschafts-politischen Ausflug in den Kapiteln 4 und 5 die "Lebensnähe" seiner Enzyklika dokumentieren wollte, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, dass die Kirche nur lebensfremde Ratschläge hat. Aber nach aller Erfahrung kann die Kirche im Wettlauf um Glaubensinhalte und "Lebenswirklichkeit" nur verlieren. Denn auch die Intention, die Umwelt vor Zerstörung zu bewahren, hat ihren Urquell in der spirituellen Haltung von Menschen.

Ökologische Erziehung und Spiritualität

Etwas aus tiefen Beweggründen wiederzuverwerten, anstatt es schnell wegzuwerfen, kann eine Handlung der Liebe sein, die unsere eigene Würde zum Ausdruck bringt.

Dieser schöne und wahre Satz stammt aus dem 6. und letzten Kapitel. Hier äußert sich Papst Franziskus zu den Notwendigkeiten und den Möglichkeiten einer ökologischen Erziehung. Er zeigt uns auf, dass bereits in jungen Kinderjahren der Prozess der ökologischen Willensbildung gefördert werden muss. Konkreter noch. Für Franziskus ist die Familie ganz dezidiert eine Keinzelle der "...ganzheitlichen Erziehung", die die ökologische Erziehung einschließt. Franziskus stellt die Verbindung her zu einer inneren Frömmigkeit her, ohne die ein Erkennen und Verändern von schlechten Gewohnheiten kaum möglich ist.

Eine Änderung der Lebensstile könnte dazu führen, einen heilsamen Druck auf diejenigen auszuüben, die politische, wirtschaftliche und soziale Macht besitzen.

Für eine Änderung der Lebensstile braucht es Motivation. Woher diese kommt legt Papst Franziskus im 6. Kapitel eindrucksvoll und ausführlich dar. Aber alles gipfelt in dem einfachen Satz:

Wenn jemand im Evangelium liest, dass Jesus von den Vögeln spricht und sagt, dass »Gott nicht einen von ihnen vergisst« (Lk 12,6), wird er dann fähig sein, sie schlecht zu behandeln oder ihnen Schaden zuzufügen?

Mit diesem Zitat aus dem neuen Testament macht Franziskus eines deutlich: Die beste Motivation eines Menschen, für was auch immer, ist der Glaube an den Schöpfergott selbst. Nur diese Art der Motivation gibt die dauerhafte Befähigung, den scheinbaren Freuden des Lebens, die sich in übermäßigen Konsum und damit der Schädigung der Umwelt ausdrücken, zu entsagen. Nur dadurch werden wir, in Kraft des Heiligen Geistes, befähigt, Nützliches von Unnützlichem zu unterscheiden. Denn Konsum ist nicht perse schlecht, stellt er doch den Lohn für menschliche Arbeit dar.


Mit der Enzyklika Si stellt Papst Franziskus der Menschheit guten Willens ein im wahrsten Sinne des Wortes zukunftweisendes Rundschreiben "Über die Sorge für das gemeinsame Haus" zur Diskussion. Mehr noch, gibt er auch konkrete Hinweise, die uns befähigen sollen, zu erkennen und zu handeln.

Die Enzyklika hat aber auch Schwächen. Sie ist, mit 220 Seiten im vatikanischen Printformat bzw. ca. 80 Seiten A4-Format sehr lang. Das wird viele abhalten, sie zu lesen und zu studieren. Eine Verdichtung des Textes wäre sicher sinnvoll gewesen. Franziskus macht es sich hier und da zu einfach, die üblichen Verdächtigen, also das Kapital und die Politik, in die Kritik zu nehmen. Setzen diese nicht das um, was das Volk von ihnen erwartet, nämlich Wachstum und Wohlstand? Auch das enge Mitwirken von wissenschaftlichen Beratern an der Enzyklika könnte der Schrift an Ausdrucksstärke und Glaubwürdigkeit nehmen. Wenn die Enzyklika eine Abkehr von der Verbrennung fossiler Stoffe fordert, was sollen dann Länder sagen, die zu fast 100% vom Export solcher Stoffe abhängen? Auch verleidet es zu der Frage, warum uns Gott die Recourcen zur Verfügung stellt? Doch nur um sie verantwortungsvoll zu nutzen! Verantwortungsvoll!

Franziskus wendet sich explizit an alle Menschen guten Willens; trotzdem wäre es wünschenswert gewesen, wenn er noch gezielter die direkte Ansprache an die Gläubigen dieser Welt gerichtet hätte. Eine liebevolle Ermahnung im Geiste des Apostels Paulus, die an Wort und Geist eindeutig ist, hätte der Enzyklika noch mehr Gewicht verliehen.


 

Gebet für unsere Erde

Allmächtiger Gott,
der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist
und im kleinsten deiner Geschöpfe,
der du alles, was existiert,
mit deiner Zärtlichkeit umschließt,
gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,
damit wir das Leben und die Schönheit hüten.
Überflute uns mit Frieden,
damit wir als Brüder und Schwestern leben
und niemandem schaden.
Gott der Armen,
hilf uns,
die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde,
die so wertvoll sind in deinen Augen,
zu retten.
Heile unser Leben,
damit wir Beschützer der Welt sind
und nicht Räuber,
damit wir Schönheit säen
und nicht Verseuchung und Zerstörung.
Rühre die Herzen derer an,
die nur Gewinn suchen auf Kosten der Armen
und der Erde.
Lehre uns,
den Wert von allen Dingen zu entdecken
und voll Bewunderung zu betrachten;
zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden
sind mit allen Geschöpfen
auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.
Danke, dass du alle Tage bei uns bist.
Ermutige uns bitte in unserem Kampf
für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.